Pressetext
„Die Leinwand lag auf dem Fußboden und ich habe die Farbe aufgetragen. Aus eben dieser Malweise ergeben sich die Unterschiede, die diese Bilder von den vorherigen Bildern trennen. Ein Grund dafür ist, daß ich zum Beispiel nicht weit oder ganz überblicke, was ich gemacht habe, wenn ich male.”
Georg Baselitz: Malen aus dem Kopf, auf dem Kopf oder aus dem Topf? Derneburg, 25. November 1993.
Anlässlich des Gallery Weekends präsentiert die Galerie Michael Werner, Berlin eine Einzelausstellung des deutschen Künstlers Georg Baselitz. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das monumentale Werk Stilleben still - Bildneununddreißig von 1995. Dagegen bilden sieben, vorwiegend schwarze, Linolschnitte einen Kontrast zu dem Gemälde mit außergewöhnlich kraftvollen Farben.
Seit den 1990er Jahren wendet Baselitz seine Aufmerksamkeit konzentriert den formalen Aspekten seiner Bilder zu. Im Vordergrund stehen Farbe, Form, Linie und Pinselstrich, das Motiv findet in den Gemälden nur noch als Zitat seinen Platz. Es ist ebenfalls die Zeit, in der Baselitz seine Leinwände auf den Boden legt, sodass während des malerischen Prozesses die Leinwand zu keinem Zeitpunkt für den Künstler als Ganzes erfassbar ist. In eben dieser Zeit entsteht Stilleben still - Bildneununddreißig, das letzte Werk der einmaligen Serie Bildübereins, die Baselitz 1991 beginnt. Als Zyklus, bestehend aus 39 Gemälden, stellt diese Serie eine Ausnahme in seinem künstlerischen Œuvre dar. Der Unterschied zu seinem frühen und späten Werk ist enorm, die Gemälde sind nicht nur größer und farbiger, sondern auch gegenstandsloser und setzen sich vielmehr aus kontinuierlich ineinandergreifenden malerischen Details zusammen.
Dagegen bilden die großformatigen, fast vollkommen schwarzen Linolschnitte aus den späten 1970ern einen farblichen, wie auch formalen Kontrast zu dem Gemälde. Bereits Mitte der 1960er Jahre beginnt Baselitz mit unterschiedlichen Drucktechniken zu experimentieren. Die Beschränkung der künstlerischen Mittel und die Unmöglichkeit der Korrektur, die das grafische Medium dem Künstler auferlegt, dienen Baselitz zur Präzision und Manifestation einer Bildidee. Dabei charakterisieren Direktheit, eine kraftvolle Dynamik und deutliche Entschiedenheit Baselitz’ Grafiken. Die Motive der gezeigten Linolschnitte, wie beispielsweise der Adler oder die Ährenleserin, stammen aus der Erinnerung des Künstlers und stehen in enger Verbindung zu seiner Biografie wie auch zu den Besonderheiten der deutschen Geschichte.
In der direkten Konfrontation des Gemäldes Stilleben still - Bildneununddreißig und den Linolschnitten, nimmt das Motiv in beiden Werkgruppen einen zweitrangigen Platz ein. Die malerische Kraft Baselitz’ kommt in dem großformatigen Gemälde zum Ausdruck, während die Linolschnitte mit umgekehrten Motiven die Beziehung zwischen Raum und Figur erkunden.