Pressetext
„Haben Sie all das über seine Frau verstanden?“
„Ich hab’s gehört.“
Ernest Hemingway
Am 29. Januar 2000 eröffnet die Galerie Michael Werner die Ausstellung „Markus Lüpertz -
18 Bilder - 3 Skulpturen“, die bis zum 8. März zu sehen sein wird. Die bisher noch nie ausgestellten Bilder gehören wie die 3 Skulpturen zu der Serie „Männer ohne Frauen – Parsifal“, die Markus Lüpertz 1992/93 begonnen hat. Der Titel der Serie stellt einen Bezug her zu Ernest Hemingways Kurzgeschichten „Männer ohne Frauen“ und Wagners Oper „Parsifal“. Hemingways Geschichten handeln von Männern, welche die Herausforderung suchen, der sie sich selbstbehauptend stellen, doch letztlich daran scheitern. Auch ihre Beziehung zu Frauen, die ihnen fremd bleiben, scheitert durch die Unmöglichkeit wirklichen Verstehens. Dem entgegen glorifiziert die Legende von Parsifal sexuelle Enthaltsamkeit zugunsten göttlicher Erfüllung. Diese Referenzen stehen für zwei unterschiedliche Lebensentwürfe, zwischen denen sich Lüpertz in dieser Serie wie zwischen zwei entgegengesetzten Polen bewegt.
Zentrales Motiv dieser Serie ist das Antlitz in seiner allgemeinsten Form. Dessen Struktur entwickelt Lüpertz aus der Abstraktion von Augen, Nase, Mund und Gesichtsrund. Den Motiven ist nichts Portraithaftes und Abbildhaftes eigen, sie entwickeln sich erst durch den Farbauftrag des Malers. In frühen Arbeiten der Serie werden die Gesichter durch lineare und flächige Farbgebung und gitterartige Strukturen an das Geviert des Bildgrundes gebunden.
In der Ausstellung werden 18 Bilder vorgestellt, die das Ende dieser Serie markieren und den Schritt von der festgefügten Bildstruktur zur Motivauflösung am radikalsten vollzieht. In Öl auf Nessel oder Molton gemalt, versinkt die Farbe und mit ihr die Motive im Bildgrund. Die Farbigkeit der Bilder ist in den meisten Fällen auf schwarz-weiß Töne reduziert, die dem Dargestellten die haptische Qualität nehmen. Durch die starke Farbverdünnung lösen sich die Formen der Gesichter in Schatten auf. Nur an einigen Stellen hält Lüpertz einzelne Punkte und Spuren des Hauptmotivs mit dickem, fast unverdünntem Farbauftrag an der Bildoberfläche. Es entstehen nahezu abstrakte Strukturen, die anstelle eines Abbilds der Realität eine eigene Oberfläche bilden. Eine der Arbeiten ist mit einem warmen dunklen Gelb beschichtet, in das Lüpertz ein Antlitz hineinritzt. Gerade hier wird der ikonenhafte Charakter des Bildes deutlich, welcher die lebendigen Züge in ein überzeitliches Idealbild verwandelt und dem Verlust entzieht. Aus der Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Bildgrund und Motiv und den verschiedenen Darstellungsebenen, entsteht auch ein Spiel mit den verschiedenen Ebenen des Begreifens, das zwischen der Wahrnehmung der Oberflächen und einem wirklichen Verständnis oszilliert.
Die bunt gefassten Bronzeskulpturen greifen Formelemente der frühen Bilder der Serie auf und entwickeln sie im Raum neu. In monumentaler Größe winden sich die Stränge umeinander, als befänden sie sich in steter Metamorphose. Lüpertz treibt die Dynamik der Einzelteile soweit, daß sich die Skulptur vom Gegenstand entfernt und eine eigene Struktur, eine neue Realität entsteht. Die Eindringlichkeit der Formensprache macht deutlich, wie sich die Büsten aus der Vorstellung und dem körperlichen Begehren des Künstlers formen.